Tipps und Herausforderungen beim Fotografieren mit 1200 mm
Sensibilität der heimischen Tierwelt
Die heimische Tierwelt reagiert häufig sehr sensibel auf jede Art von Störung in ihrer Umgebung. Viele Tiere haben starke Fluchtinstinkte, die sie vor möglichen Bedrohungen schützen. Doch selbst kleine, aus unserer Sicht oft unbedeutende Eingriffe – wie das Betreten von Rückzugsgebieten, laute Geräusche oder abrupte Bewegungen – können großen Stress bei den Tieren auslösen.
Fluchtinstinkt bei scheuen Arten
Besonders scheue Arten wie Rehe, Wildvögel oder Raubvögel ziehen sich bei geringsten Anzeichen menschlicher Nähe schnell zurück. Dieser Fluchtinstinkt kostet die Tiere Energie und kann wichtige Verhaltensweisen unterbrechen, die für ihr Überleben entscheidend sind, etwa das Suchen nach Nahrung oder das Aufziehen des Nachwuchses. Bei Vögeln, die am Boden brüten, kann schon eine Annäherung über ihre Fluchtdistanz hinaus dazu führen, dass sie ihre Nester verlassen und Eier oder Jungtiere ungeschützt zurücklassen – eine besonders große Gefahr im Frühjahr und Sommer.
Variabilität der Fluchtdistanz
Die Fluchtdistanz, also der Abstand, den Tiere einhalten, bevor sie vor einem Störfaktor fliehen, variiert stark je nach Tierart und individueller Erfahrung. Während kleinere Singvögel oft schon bei einer Annäherung von wenigen Metern aufgeschreckt werden, liegt die Fluchtdistanz bei Raubvögeln wie dem Habicht oder Bussard oft bei mehreren hundert Metern, insbesondere wenn sie nisten oder Junge haben. Rehe und andere Wildtiere reagieren in offenen Landschaften meist auf eine Annäherung von 200 bis 300 Metern oder mehr, während sie in bewaldeten Gebieten manchmal etwas toleranter sein können, da hier das dichte Unterholz zusätzlichen Schutz bietet.
Einfluss von Jahreszeit und Umgebung
Wie stark Tiere auf Störungen reagieren, hängt zudem von der Jahreszeit und der Umgebung ab. Im Winter, wenn Nahrung knapp ist und die Energiereserven sinken, sind viele Tiere besonders belastet und weniger in der Lage, wiederholten Störungen standzuhalten. Auch sensible Lebensräume wie Wälder, Feuchtgebiete und Seen sind anfällig für menschliche Eingriffe und sollten daher besonders geschützt werden.
Rücksichtnahme und Beobachtung
Um die Tiere möglichst wenig zu beeinträchtigen, ist es hilfreich, auf den Wegen zu bleiben, gekennzeichnete Brut- und Schongebiete zu respektieren und sich ruhig und aufmerksam zu verhalten. Durch eine achtsame Beobachtung und Rücksichtnahme bleibt die Natur für uns ein besonderes Erlebnis – und die Tiere können ungestört ihrer natürlichen Lebensweise nachgehen.
Bedeutung von Tarnung und Abstand
Auch wenn gute Tarnmöglichkeiten dabei helfen können, das eigene Auftreten in der Natur unauffälliger zu gestalten, reichen sie in vielen Fällen allein nicht aus. Gerade bei sehr scheuen Tieren kann es trotz bester Tarnung notwendig sein, einen respektvollen Abstand zu wahren. Viele Tiere besitzen einen ausgeprägten Instinkt für Gefahren und reagieren bereits auf kleinste Bewegungen oder Gerüche, die ihnen auffallen. Ein Zuviel an Nähe kann also auch dann zu einem Alarmverhalten führen, wenn man sich vermeintlich gut versteckt fühlt.
Notwendigkeit größerer Entfernungen
In solchen Fällen ist es oft ratsam, größere Entfernungen einzuhalten, um das natürliche Verhalten der Tiere möglichst wenig zu beeinflussen. Gerade bei Beobachtungshütten, die nicht speziell für die Bedürfnisse von Naturfotografen konzipiert sind, ist es oft erforderlich, größere Distanzen zu den Tieren einzuhalten. Solche Hütten bieten zwar oft eine gute Sicht, sind jedoch meist nicht so gestaltet, dass sie sich harmonisch in die Umgebung einfügen oder Bewegungen und Geräusche optimal abschirmen. Gleichzeitig sind diese Hütten häufig nicht in einer für die Naturfotografie optimalen Entfernung zu den Tieren, um Störungen zu vermeiden.
Verwendung von Teleobjektiven
Hier kommen Objektive mit starken Brennweiten, oft 500 bis 600 mm, ins Spiel. Diese ermöglichen es, die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu fotografieren, ohne ihre Fluchtdistanz zu überschreiten. Mit diesen Brennweiten lassen sich selbst aus der Distanz beeindruckende Aufnahmen machen, die sowohl Details als auch die authentische Verhaltensweise der Tiere festhalten. Sie sind daher ein unverzichtbares Werkzeug für Fotografen, die die Tierwelt respektvoll und eindrucksvoll abbilden möchten.
Vorteile und Herausforderungen von Telekonvertern
Doch selbst die 600 mm Brennweiten sind häufig zu wenig, um die Tiere in akzeptabler Größe abbilden zu können. Hier sind Telekonverter die Abhilfe. Der häufig eingesetzte Konverter in 1,4x vergrößert die Brennweite um 40 % und aus den 600 mm werden dann 840 mm. Dabei verlieren wir jedoch 1 Blende an Licht, und aus der ursprünglichen Blende 4 wird Blende 5.6. Der Autofokus wird etwas langsamer, und die Bildqualität ist etwas schlechter, aber bei der Qualität der Linsen und Kamerabodys ist das kein Problem.
Telekonverter in höheren Stärken
Bei vielen Situationen sind jedoch auch die 840 mm zu wenig. Jetzt kommt der Konverter in Stärke 2x ins Spiel. Aus den 600 mm werden 1200 mm und wir verlieren 2 Blenden. Aus Blende 4 wird Blende 8. Die Bildqualität ist etwas schlechter, und wir verlieren leicht an Details. Der Autofokus wird jedoch deutlich langsamer, und bei älteren DSLRs ist der Autofokus nicht mehr möglich, sodass manuell scharfgestellt werden muss.
Optimale Verwendung von Telekonvertern
Telekonverter sind nützliche Zubehörteile, die es ermöglichen, die Brennweite eines Objektivs zu vergrößern. Sie erhöhen die Brennweite um einen bestimmten Faktor, typischerweise 1,4x oder 2x. Allerdings funktionieren Telekonverter am besten in Kombination mit hochwertigen Festbrennweiten. Diese Objektive zeichnen sich durch ihre optische Qualität und Lichtstärke aus, was entscheidend ist, wenn man einen Telekonverter einsetzt. Festbrennweiten haben in der Regel eine bessere Lichtstärke und weniger optische Aberrationen als Zoomobjektive.
Bedeutung der Objektivequalität
Die Verwendung eines Telekonverters mit minderwertigen oder lichtschwachen Objektiven kann zu einer merklichen Verschlechterung der Bildqualität führen, darunter unscharfe Bilder und unerwünschte Farbsäume. Daher sind hochwertige Festbrennweiten, die für ihre Schärfe und ihre Fähigkeit, Licht gut zu verarbeiten, bekannt sind, die bevorzugte Wahl für den Einsatz mit Telekonvertern. Mit dieser Kombination lassen sich beeindruckende Teleaufnahmen erzielen, ohne auf die Flexibilität eines Zoomobjektivs zurückgreifen zu müssen.
Herausforderungen bei extremen Brennweiten
Bei der Verwendung dieser extremen Brennweite von 1200 mm, die wir mit einer 600 mm F4 Festbrennweite und einem 2fach Telekonverter erreichen, wird es schwierig, dynamische Szenen, wie schnelle Bewegungen oder fliegende Vögel, scharf einzufangen. Der Grund liegt im Autofokus: Der Autofokus kann meistens nicht schnell genug reagieren, um bei einer Lichtstärke von Blende 8 und der langen Brennweite von 1200 mm schnell genug scharfzustellen.
Notwendigkeit stabiler Unterstützung
Hinzu kommt, dass solche Objektive eine sehr geringe Schärfentiefe aufweisen, was bedeutet, dass selbst kleinste Entfernungsänderungen des Motivs eine Neufokussierung erfordern. Diese Kombination aus langsamem Autofokus und minimaler Schärfentiefe macht es schwer, spontane und schnelle Szenen zuverlässig festzuhalten.
Außerdem ist es notwendig, eine solide Objektivunterstützung wie ein schweres Stativ zu verwenden. Der Grund dafür liegt in der enormen Vergrößerung, die mit dieser Brennweite einhergeht. Schon die kleinsten Erschütterungen oder Bewegungen können dazu führen, dass Bilder unscharf werden oder Verwacklungen sichtbar sind.
Umgang mit Verwacklungen und Bildqualität
Ein robustes Stativ bietet die notwendige Stabilität, um das schwere Objektiv zu halten und Vibrationen zu minimieren, die durch Wind oder auch durch den Fotografen selbst verursacht werden können. Gerade in Beobachtungshütten, die einen Holzboden aufweisen, können Schritte von anderen Besuchern schon Verwacklungen auslösen.
Dies erfordert dann sehr kurze Verschlusszeiten, um Verwacklungen zu verhindern. Ich selbst verwende dann, sofern die Lichtverhältnisse es erlauben, eine Verschlusszeit von 1/2000 s und Blende auf F9 – F11, um die Bildqualität möglichst zu erhalten. Dies ergibt jedoch immer höhere ISO-Werte, die ein stärkeres Rauschen erzeugen. Daher ist es wichtig, immer möglichst hell zu belichten und das Histogramm im Auge zu behalten, um Überbelichtungen zu vermeiden. Das entstehende Rauschen wird dann geringer, und die heutigen Bildbearbeitungsprogramme wie Lightroom können dieses Rauschen leicht entfernen.
Technik des Vorfokussierens
Trotz modernster Kameratechnologie ist es oft besser, den Tieraugenautofokus nicht direkt auf das Tier selbst zu richten. Stattdessen sollte man zunächst auf ein nahes Objekt, wie einen Strauch, scharfstellen. Der Tieraugenautofokus funktioniert optimal nur bei Motiven, die einigermaßen erkennbar sind. Daher kann das Vorfokussieren auf ein benachbartes Objekt die Chancen erhöhen, das Tier im gewünschten Moment scharf abzubilden. Doch selbst beim Vorfokussieren stelle ich oft bei 1200 mm Brennweite das Bild manuell scharf und verwende dann den Autofokus. Mit dieser Technik kann ich möglichst schnell scharf stellen.
Noch ein kleiner Tipp am Rande
Bei der Verwendung von diesen extremen Brennweiten kann es passieren, dass in nähere Entfernung was Unvorhergesehenes passiert. Ein Fuchs kommt aus dem Wald oder ein Vogel fliegt vorbei. Eine zweite Kamera mit einem kleineren Objektiv wie z.b. 100-400 mm ist dann nützlich. Ich verwende die Kombination der Canon R6 II mit dem EF 600 mm/4 L IS USM II, häufig mit Telekonverter 1,4x und 2x und als Zweitkamera meine ältere Canon EOS 1D Mark IV mit dem EF 100-400 mm/4,5-5,6 L IS USM.
Das wichtigste bei der Verwendung von diesen Brennweiten ist jedoch Übung, Übung, Übung …